Down by Law

Mit harten Bandagen untergräbt der Kreis durch eine unverhältnismäßig strenge und maximal nachteilige Auslegung von Gesetzen die verfassungsgemäßen Selbstbestimmungsrechte unserer Inselgemeinden. Leidtragende sind unsere Vereine, die Daseinsvorsorge, Schulen, Institutionen, die Wirtschaft und die Selbstverwaltungen. Letzter Kollateralschaden war nun das alljährliche Muschelrockfestival in der Kurmuschel.

Alle freuten sich auf das wichtigste jährliche Event vom Verein der Sylter Bands – dem alljährlichen Muschelrock-Musikfestival in der Kurmuschel, das Samstagabend stattfinden sollte. Das Sturmtief ist weitergezogen, der Wetterbericht sagte zu mindestens bis 20 Uhr einigermaßen trockenes Wetter voraus, die vier Bands hatten z.T. noch Extraübungsabende eingelegt und das Equipment verpackt, um nachmittags aufzubauen und Soundcheck zu machen. Dann Freitagnachmittag die böse Überraschung: Unsere Protestcampgäste hatten ihre eigenen Pläne für die Kurpromenade, und denen kann der Kreis ja nichts verwehren. Das sehe, so die mantramäßige Antwort auf alle Einwände, schließlich unser Grundgesetz vor. 

Soweit wir wissen, stellten die Protestcamper am vergangenen Dienstag oder Mittwoch einen Antrag bei der Veranstaltungsbehörde in Husum, um Samstagnachmittag in der Kurmuschel eine Demonstration für oder gegen was abzuhalten. Ob sie wussten, dass dort das Konzert stattfinden würden, ist nicht bekannt. Ein Blick in den Veranstaltungskalender oder auf Facebook, denn dort wurde das überall angekündigt, hätte schnell Abhilfe geschaffen. Mit dem Verein der Sylter Bands oder dem ISTS haben sie sich nicht in Verbindung gesetzt – es wäre ein Leichtes gewesen, diese Demo an einen beliebig anderen Ort zu verlegen. 

Der ISTS hat zwei Tage lang versucht, der Versammlungsbehörde in Husum klarzumachen, welche Probleme das mit sich bringt. Vergebens: Freitag, kurz vor Mittag, erteilte der Kreis die Genehmigung ungeachtet der Einwände. Einzige Konzession war, dass die Punks nicht in der Kurmuschel ihre Versammlung abhalten dürfen, sondern nur davor. 

Dass der positive Bescheid kurz vor Mittag reinkam, ist keine Besonderheit; das haben wir in den letzten Jahren immer wieder erlebt. So stellt man sicher, dass etwaige Einwände ins Leere laufen, schlicht und einfach, weil dann niemand mehr in den Büros der Verwaltung in Husum sitzt. Die Betroffenen werden vor vollendete Tatsachen gesetzt. 

Der Verein der Sylter Bands musste eine Entscheidung treffen, wie er damit umgehen soll, zumal auch nicht abzusehen war, wie viele Teilnehmer an der Demo teilnehmen. Allein die Anlieferung des Equipments auf die Kurpromenade ist schon an „normalen“ Tagen ohne Demo eine Herausforderung. Dann einen Soundcheck von vier Bands durchzuführen, während direkt vor der Bühne Reden geschwungen werden oder laute Musik aus dem mitgebrachten Brüllwürfel gespielt wird, ist undenkbar, und würde ein nicht zu unterschätzendes Konfliktpotential bieten. 

Der Verein entschied sich also für die einzig vernünftige Möglichkeit, nämlich eine Absage des Konzertes. Bands gehen nicht ohne anständigen Soundcheck auf eine Bühne, zumal die Akustik dort durchaus anspruchsvoll ist, und niemand hat Lust, sich mit einer Gruppe junger Leute auseinander zu setzen, die ja, Dank der Genehmigung, nun das Recht auf ihrer Seite hatten. 

Die Musiker wurden umgehend informiert, die Gesichter waren lang. Ich (Markus) versuchte, unsere Bürgermeister und unseren ersten Bürgervorsteher zu erreichen, die davon auch nichts wussten. Da die Demo auf dem Gelände des ISTS stattfinden sollte, wurden unser Ordnungsamt und Verwaltung vermutlich gar nicht informiert. So zu mindestens erkläre ich mir selbst die Tatsache, dass wir von nichts im Vorfeld wussten. 

Das Kind war nun also im Brunnen. 

Was die Punks selbst betrifft, so war das wahrscheinlich eher Dusseligkeit oder Ahnungslosigkeit. Vor zwei Jahren zündeten einige beim damaligen Muschelrock vor der Bühne Bengalos und räucherten die Musiker ein (ich stand dort selber mit meinem Bass), aber sie tanzten auch zur Mucke und brachten uns Bier. Eigentlich sind sie für Partys zu begeistern, zumal diese ja sogar kostenlos gewesen wäre. Und ein bisschen will man an der legendären Partylocation „Sylt“ auch teilhaben (Das mit „legendäre Partylocation“ war natürlich friesischer Galgenhumor in reinster Form). 

 

Welchen Kampf führt der Kreis gegen die Gemeinde? 

Wirklich relevant ist aber eine andere Frage, nämlich welchen Kampf der Kreis gegen unsere Gemeinde führt. Diese Genehmigung wohlwissend der logistischen und technischen Probleme und des Konfliktpotentials zu erteilen, kann man eigentlich nur als Sabotage bezeichnen. 

Das Schlimme daran ist, dass dies nicht das erste Mal war: Als wir Ende Juni das dreitägige Henner-Krogh-Festival auf dem Rathausplatz organisierten, versuchte der Kreis auch dieses zu verhindern, indem er eine Woche vor der Veranstaltung der Gemeinde wegen der Haushaltssperre verbat, Gelder dafür bereitzustellen. Dies ist absurd, da die Gelder gar nicht von der Gemeinde stammen, sondern aus der Henner-Krogh-Stiftung,  die von einem Kuratorium verwaltet wird, aber bei der Gemeinde „beheimatet“ ist. Es ist nicht das Geld der Gemeinde, läuft aber über deren Haushalt. Ist der Haushalt gesperrt, wie jetzt, darf die Stiftung auch keine Gelder bereitstellen, so die Argumentation. Bürokratie wird zur Waffe. 

Der Stiftungszweck ist die Förderung Sylter Musiker. Der Kreis verhindert also wissentlich, trotz voller Kassen, eben genau deren Förderung. Gibt die Stiftung aber die Gelder nicht entsprechend dem Stiftungszweck aus, riskiert sie, ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren. Wer kann so etwas wollen? 

Aber nicht genug: Nachdem für das Budgetproblem eine Lösung gefunden wurde, versuchte der Kreis, die baurechtliche Abnahme der Bühne zu verhindern – sie hätte nicht die ausreichende Windlastzertifizierung. Das war schon etwas bizarr, da der Bühnenbauer regelmäßig Veranstaltungen auf Sylt durchführt. Der zuständige Kreismitarbeiter, Herr P., weigerte sich gar, sich die Bühne überhaupt auch nur anzusehen. Sein Urteil fällte er anhand eines gefaxten oder gemailten Schwarzweißfotos. Die Techniker fanden aber zum Glück eine Alternative, die Herrn P. dann auch zufriedenstellte. 

Dann entschied der Kreis, dass unser Sicherheitspersonal nicht mehr ohne Begleitung durch das Ordnungsamt in der Stadt laufen dürfte und erteilte eine entsprechende Weisung, was ein sehr scharfes Schwert ist. Damit wird es natürlich schwierig, das Equipment über Nacht und am Wochenende außerhalb der Konzertzeiten zu bewachen. Auf unsere Bitte um Amtshilfe, wenn wir die Wachleute schon nicht einsetzen dürfen, hieß es, dass der Kreis auch kein Personal hätte – darum müssten wir uns halt selbst kümmern. Aber – Riesendank an findige Mitarbeiter in unserer Verwaltung – fanden sie auch dafür Lösungen und die Konzerte konnten stattfinden. 

13 Sylter Bands, ein Harfenquintett, Sängerinnen und Sänger, ein Solist, hiesige Musikvereine und Chöre und selbst eine Schülerband der 5ten Klasse des Gymnasiums traten dort auf. Wie, wenn nicht durch die Möglichkeit, ihre Kunst und Talente einem breiten Publikum zu präsentieren, soll Musikförderung aussehen? Bundesweit hat Corona die Musikszene fast völlig zerschossen, die Probleme, die Jugendliche auch heute noch von den Zeiten haben, sind weitreichend bekannt. Aber natürlich: Die strengste Durchsetzung amtlicher Regeln ist wichtiger. 

Das Festival war ein großartiger Erfolg. Gemeinsam haben wir endlich mal was wirklich Schönes und Wichtiges auf die Beine gestellt. 3 Tage vor Beginn wussten wir aber nicht, ob das nicht alles einem bürokratischen Fallbeil zum Opfer fällt. 

 

Fremdbestimmung gegen Prinzip der Gemeindefreundlichkeit

Dies alles ist ein weiterer Höhepunkt einer Reihe von Schikanen, Daumenschrauben, Nasenringen und was nicht alles gegen unsere Inselgemeinden, durch die wir mittlerweile einen phänomenalen politischen, gesellschaftlichen und auch finanziellen Schaden erleiden: Mit Haushaltssperren, immer neuen Auflagen und Anforderungen, oder nun durch diese Entscheidung gegen jeden gesunden Menschenverstand. Gegen Kulturförderung, gegen Vereine, Daseinsvorsorge, selbst vor unseren Schulen macht der Kreis nicht Halt. 

Die Bevölkerung ist wütend und macht „die Politik“ verantwortlich, realisiert natürlich nicht, dass diese Entscheidungen in Husum getroffen werden und nicht in Westerland. Deutlicher kann man nicht erkennen, wie fremdbestimmt wir tatsächlich sind – und das ist wohl auch genau deren Motiv. Eine andere Erklärung fällt mir jedenfalls nicht ein. 

Artikel 28 des Grundgesetzes definiert die Selbstbestimmungsrechte von Kommunen und beschreibt das „Prinzip der Gemeindefreundlichkeit“, nach dem Kreisverwaltungen gegenüber den untergeordneten Gemeinden agieren sollten. Davon ist nichts mehr zu erkennen. 

Tatsache ist, dass die Husumer Versammlungsbehörde wie aber auch die Kommunalaufsicht ausnahmslos immer die für unsere Gemeinde nachteiligste und strengste Auslegungen existierender Gesetze anwenden. Das geht so weit, dass immer neue Auflagen auch die Fertigstellung des 2024/25er Haushalt bis heute immer weiter verzögerten. Ergo, kein Haushalt und damit keine freien Mittel. 

Vom Kreisbauamt – Thema Kontrollen und Verbote von Ferienwohnungen, Abriss Alter Gasthof in List, Denkmalschutz – fange ich lieber gar nicht erst an. 

Die Verwaltungsordnung SH sieht allerdings vor, dass z.B. die Kommunalaufsicht „beratend und unterstützend“ den Gemeinden zur Seite stehen muss. Auch das ist Gesetz, was aber in Husum deutlich lockerer interpretiert wird. 

 

Schadensbegrenzung? Fehlanzeige! 

Dass unsere Verwaltung in der Vergangenheit kapitale Fehler machte, ist kein Geheimnis. Die werden aber abgearbeitet und können nicht, zu mindestens solange man ernsthaft an einer konstruktiven Schadensbegrenzung interessiert ist, immer und immer wieder als Grund herhalten, Gemeinden zu gängeln und so den Schaden ad Infinitum in die Höhe zu treiben. 

Wir sind eine reiche Gemeinde, haben aber mittlerweile alleine durch den Investitionsstau der vergangenen Jahre einen finanziellen Schaden in der Größenordnung von vorsichtig geschätzten 25 bis 40 Millionen Euro, vor allem durch die Kostenexplosion der Projekte, die wir immer weiter verschieben müssen. Nebenbei haben wir etliche Jahre verloren, was auch nicht unwesentlich ist.

Wenn uns, den gewählten, ehrenamtlichen Selbstverwaltungen, nun seit Jahren die Gestaltungsmöglichkeiten genommen werden und in direkter Konsequenz auch hiesigen Vereinen und Institutionen das Wasser abgegraben wird, dann wird uns die Erfüllung unseres verfassungsgemäßen Auftrages unmöglich gemacht und das Ehrenamt mit Füßen getreten. 

Zwei große und wichtige Sylter Institutionen stehen derzeit kurz vor der Insolvenz, eine dritte kämpft für ein lange geplantes Bauvorhaben um die Finanzierung. All das, weil wir als Gemeinde unsere Zusagen nicht einhalten können. 

 

Und jetzt? 

Die Schwäche unserer Verwaltung, sich in der Vergangenheit dagegen zur Wehr zu setzen und auch unsere Rechte und Interessen zu vertreten, ist leider auch eine Realität, aber menschlich verständlich, erkennt man die Macht, die die übergeordneten Behörden haben, und die möglichen Repressalien, die bei Widerstand drohen. Niemand legt sich gerne mit der Kommunalaufsicht an. 

Carsten Kerkamm gelang es immerhin, in einigen Bereichen endlich wieder einen konstruktiveren Dialog aufzubauen; Landrat Florian Lorenzen und Kreispräsident Frank Zahel betonen, dass der Kreis nur helfen will. Ist das wirklich so? 

Es ist an der Zeit, endlich Klarheit in dieses Verhältnis zu bringen, es auf eine neue Ebene zu stellen und die legitimen Interessen unserer Insel zu verteidigen. Dies kann vermutlich nur noch über ein Gericht erfolgen, z.B. über Feststellungsklagen o.Ä., um prüfen zu lassen, ob diese Maßnahmen rechtmäßig und verhältnismäßig waren/sind, und ob die Belange der Bürgerinnen und Bürger, der Verwaltung aber auch die verfassungsgemäßen Aufgaben der Selbstverwaltungen ausreichend berücksichtigt wurden. Falls wir da nicht weiterkommen, sollten wir auch nicht davor zurückschrecken, eine Verfassungsklage einzureichen. Denn auch wir haben Grundrechte.  

 

 

 
 
 
 
 
 
 
 

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