Englisches Kino - Herbst 2014,
Foto: Klaar-Kiming Sylt
Halle 28,
Foto: Klaar-Kiming Sylt
Die Katze im Sack - 24.4.2015
Von Markus Gieppner, Mitglied im Schul-, Jugend-, Kultur- und Sportausschuss (Fraktion Die Insulaner/Piraten)
Nun beschlossen die Gemeindevertreter mit den Stimmen von SPD, SWG, SSW und Grünen, eine halbe Millionen Euro für den Abriss des Englischen Kinos bereitzustellen und bis 2018 auch die Hallen 25/28 und 44 abzureißen, um bis dahin die 2008 mit der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten (BImA) vereinbarte Null-Lösung des ehemaligen Marinefliegerhorstes umzusetzen. Zusätzlich wurden die Anträge auf einen Prüfung der rechtlichen Situation (Die Insulaner/Piraten), auf einen Bürgerentscheid zur Gesamtthematik Fliegerhorst (ILZS) sowie einen für den Erhalt der Katastrophenschutzhalle 28 (CDU) ebenfalls blockiert. Mit dieser Entscheidung liegen jetzt unsere Haushaltsreserven unter 1%.
Als Mitglied des Schul-, Jugend-, Kultur- und Sportausschusses macht mich diese Entscheidung sehr nachdenklich. Trotz leerer Kassen wird wie von Geisterhand eine halbe Millionen Euro für den Abriss denkmalgeschützter Gebäude hergezaubert, während in unserem Ausschuss über jeder Entscheidung stets das drohende Veto der Gemeindevertretung oder des Finanzausschusses schwebt.
Hier jedoch werden nun enorme Geldmittel zur Verfügung gestellt, um Kulturgüter zu zerstören – Gebäude, die neben ihren architektonischen Besonderheiten eine ganz außergewöhnliche geschichtliche Bedeutung für die Insel haben, und, besonders im Falle des Englischen Kinos, wie kein anderes für die Befreiung der Insel vom Naziregime durch die britischen Streitkräfte und die anschließende Versöhnung zwischen ehemaligen Kriegsgegnern steht. Auch heute noch zeugen zahlreiche daraus entstandene freundschaftliche und familiäre Beziehungen davon.
Dr. Paarmann, Leiter der Oberen Denkmalschutzbehörde in Kiel, erläuterte mir, dass das Englische Kino den Denkmalstatus verloren habe, weil es nach Jahren mit kaputten Fenstern und offenen Türen durch Wind, Wetter und Vandalismus praktisch nicht mehr wirtschaftlich vertretbar erhalten werden könne. Das ist enttäuschend, aber man muss es wohl akzeptieren, obgleich ich mich schon frage, wieso man eine halbe Million Euro für einen Abriss zur Verfügung stellt, nicht aber für den Erhalt bzw. die Instanthaltung. Wie auch immer, wir, die Mitglieder des oben genannten Ausschusses, sollten uns nun durchaus selbstkritisch fragen, wieso wir ein historisch wertvolles und schützenswertes Gebäude soweit verkommen ließen. Wäre es nicht unsere Aufgabe gewesen, es zu erhalten und zu schützen?
Ist der Abriss der Hallen 25 und 28 rechtlich überhaupt möglich?
Nun sollen also auch die beiden großen Hallen bis spätestens 2018 abgerissen werden. Da bislang keine Alternativlösung für den Katastrophenschutz existiert, setzt dies die Gemeinde extrem unter Druck, aber das scheint die Abrissbefürworter wenig zu beunruhigen. Hinzu kommt, dass auch hier die Denkmalschutzfrage wieder einmal ausgeblendet wurde, was zu einem Problem werden könnte: Laut Dr. Paarmann gibt es weder von Seiten der Oberen noch der Unteren Denkmalschutzbehörde (Husum) irgendwelche Zweifel an der Schutzwürdigkeit dieser Hallen, sie steht nicht einmal in Frage.
Selbst das stets wiederholte Argument, die Gebäude stünden gar nicht unter Denkmalschutz, da laut Kaufvertrag die „Unterschutzstellung nach dem Landesdenkmalschutzgesetzes mangels fehlender bauplanerischer Ausweisung nicht wirksam seien“ ist eine Behauptung in dem Vertrag, der das Denkmalamt deutlich widerspricht. Tatsächlich wäre der Vertrag in der damals geschlossenen Form ohne diesen Passus überhaupt nicht möglich gewesen. Dessen waren sich die Verfasser offensichtlich auch durchaus bewusst.
Dass ein Gelände, das immerhin seit den Kriegsjahren bis 2008 genutzt wurde, nicht planerisch ausgewiesen sei, ist schon sehr sonderbar. Außer Acht gelassen wurde ebenfalls, dass beispielsweise das Englische Kino 1952 unter alliierten Besatzungsrecht gebaut wurde, also keineswegs der deutschen Gesetzgebung der Nachkriegsjahre bis zu den Pariser Verträgen von 1954/55 unterstellt war. Detailliert wurden diese Liegenschaftsfragen und deren Rechtsnachfolge im Truppenvertrag, im Landesbeschaffungsgesetzt und einigen anderen Gesetzestexten formuliert – also vielleicht eine Aufgabe für Historiker, die sicherlich nicht ganz einfach zu beantworten ist.
Selbst der spätere Verlust der Baugenehmigungen alle Gebäude durch die endgültige Aufgabe der Liegenschaften im Jahre 2008, als jene besagten Hallen bereits unter Denkmalschutz standen, führen nicht zu einem automatischen Erlöschen des Schutzwürdigkeit. Dieser wird durch den kulturhistorischen Wert der Flächen, Anlagen und Gebäude definiert, nicht durch Baugenehmigungen.
In diesem Sinne ist es bemerkenswert, dass auch heute – also immerhin seit mehr als 7 Jahren nach dem Beschluss der Null-Lösung – die Gebäude und das Rollfeld immer noch im Schleswig-Holsteinischen Denkmalbuch eingetragen sind und niemand je eine Löschung beantragte hat. Vielleicht ist das doch nicht so eindeutig, wie in dem Kaufvertrag dargestellt? Zeit genug gab es: Die Denkmalschutzproblematik ist mindestens seit Herbst 2011 allgemein bekannt. Damals stoppte die Denkmalschutzbehörde mit einem Anruf bei der Verwaltung den Abrissbagger, der bereits vor dem Englischen Kino stand.
So bleibt am Ende also möglicherweise nur der Weg über die Gerichte, um diese Fragen rechtsverbindlich zu klären oder um die Schutzwürdigkeit der Gebäude aberkennen zu lassen. Wie hoch stehen die Erfolgschancen dafür? Die Denkmalschutzbehörden gehen bei der Beurteilung von Kulturgütern nach strengen wissenschaftlichen Kriterien vor. Es dürfte sehr schwierig und zeitaufwändig werden, diese Argumente vor Gericht zu entkräften – zumal bis 2018 dann nach der Klärung dieser Frage eben auch eine neue Katastrophenschutzhalle geplant, finanziert und gebaut werden müsste.
Solange die Hallen also nicht mutwillig oder durch Nachlässigkeit irreparabel beschädigt werden, gibt es im Augenblick keine wirkliche Rechtssicherheit, den gefassten Beschluss überhaupt durchzuführen. Wäre es nicht besser gewesen, erst einmal diese Frage zu klären und erst dann Haushaltsmittel für einen möglichen Abriss zu blockieren?
Katze im Sack gekauft
Wie immer diese Fragen am Ende beantwortet werden: Vielleicht müssen wir endlich erkennen, dass wir bei dem Erwerb der Liegenschaften die berühmte Katze im Sack gekauft haben. Der Bund hat, wohlwissend um den Status dieser Gebäude, einen Vertrag angeboten, der uns verpflichtete (und ihn davon befreite), diese denkmalgeschützten Gebäude abzureißen. Der Haken daran ist: Damals wie heute ist der Abriss möglicherweise nicht durchführbar, ohne geltende Gesetze zu brechen.
Dennoch sind wir bereit, „freiwillig“ insgesamt ca. 3,3 Millionen Euro für die Beseitigung von Bundeswehranlagen zu bezahlen – wofür im Falle einer Renaturierung normalerweise der Bund zuständig wäre - und der durch die illegale Ablagerung von ca. 30000 Kubikmetern Bauschutt und Müll nun wohl noch teurer wird.
Es gibt aus diesem Dilemma keine Lösung, ohne dies endlich verbindlich zu klären und dann ggfls. den Vertrag mit dem Bund nachzuverhandeln, was prinzipiell bei allen Verträgen, in denen rechtliche Einschränkungen des Vertragsgegenstandes nicht ausreichend gewürdigt wurden, nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist.
Stellt sich dann heraus, dass die Hallen nicht abgerissen werden können, öffnet dies aber auch die Tür zu neuen Lösungen, wie einem Kompromiss bei der Null-Lösung: So könnten beispielsweise bei einer Teilrenaturierung diese Gebäude, genauso wie die Sporthalle, die ohnehin erhalten werden soll, in einer schönen Landschaft eingebettet bleiben und viele Jahre einen guten Zweck erfüllen. Landesmittel für den Denkmalschutz könnten bei der Instanthaltung der Tore und des Daches der Katastrophenschutzhalle beantragt werden; den Luxus eines kostspieligen Neubaus würden wir uns ebenfalls sparen. Darüber hinaus würde dies einen Teil unserer Geschichte bewahren, anstatt sie kommenden Generationen nur noch in Textbüchern weitervermitteln zu können. Dies genau ist die Aufgabe des Denkmalschutzes.
Wenn SPD, SWG, SSW und die Grünen sich so sicher sind, dass der Abriss trotz der genannten Bedenken der einzig richtige Weg ist, dann sollten weder eine rechtliche Prüfung von unabhängiger Seite noch ein Bürgerentscheid ihnen Kopfzerbrechen bereiten, denn beides würde einer derartig kontroversen und wichtigen Entscheidung die notwendige Legitimation und Unterstützung durch die Bevölkerung verleihen.
Es sei denn, man fürchtet, dass genau diese Unterstützung ausbleiben könnte.
Mehr zum Thema: Abriss der Flugzeughalle 25 nicht zulässig (9.12.2015)